‚Mädchen können nicht programmieren‘

 Wie Tekkie Uni zur Verringerung der Gender-Gap beiträgt

Mädchen können nicht programmieren. Programmieren ist was für Jungs. Mädchen interessieren sich nicht für Informatik.

Die oben stehenden Aussagen sind offensichtlich falsch. Mädchen können alles, was Jungen können, und Programmieren hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Es gibt allerdings eine Gender-Gap beim Programmieren; in den USA sind nur 24 Prozent aller IT-Stellen von Frauen besetzt, und die weltweiten Statistiken sind nicht besser – laut dem Women in Tech Index von Honeypot, bei dem die im Tech-Sektor Beschäftigten in 41 verschiedenen Länder verglichen werden, hat Bulgarien mit 30 Prozent den höchsten Anteil der in diesem Sektor tätigen Frauen.

Tatsächlich nimmt die Zahl der Frauen in IT-Berufen ab. Wenn der aktuelle Trend in der Branche anhält, gibt es einer neuen Studie zufolge in den nächsten hundert Jahren keine Geschlechtergleichheit im Tech-Sektor.

Die Gender-Gap im Programmierunterricht

Die Tech-Gender-Gap ist ein Trend, der auch im Bereich der App-Entwicklung spürbar ist. Letztes Jahr waren nur 19 Prozent der Kinder, die sich in den Kursen von Tekkie Uni anmeldeten, Mädchen. Diese Mädchen allerdings sind für gewöhnlich hoch motiviert, sagt Ivgi, pädagogischer Leiter von Tekkie Uni.

 „Die meisten Mädchen zeigen zu Beginn des Kurses mehr Begeisterung fürs Programmieren, Gestalten, Kreieren und für das Leiten von Projekten und Gruppen“, so Ivgi. „Wir sehen es in unseren Klassen. Wenn sich ein Mädchen anmeldet und dabei bleibt, ist sie für gewöhnlich die Beste in ihrer Gruppe.“

Als Beispiel erzählt er von einem Mädchen, das sich bei Tekkie Uni anmeldete und drei Jahre lang verschiedene Kurse absolvierte. Am Ende ihres zweiten Jahres veranstaltete Tekkie Uni einen Hackathon. Die TeilnehmerInnen wurden in Teams aufgeteilt. Das  Mädchen, damals 12 oder 13 Jahre alt, wurde zur Leiterin eines Teams ernannt.

 „Zu sehen, wie sie diese Programmierergruppe leitete und volle Verantwortung für die Entwicklung eines Teils der App, an der sie arbeiteten, übernahm, war irre“, erinnert sich Ivgi.

Das Mädchen ist heute 16 Jahre alt und Teil eines speziellen Programms für Jugendliche, die alt genug zum Arbeiten sind. Gemeinsam mit einer Gruppe von 6-8 anderen Schülern, allesamt Jungen, arbeitet sie bei Tekkie Uni.

Mehr Mädchen für Programmierkurse begeistern

Ivgi glaubt nicht, dass der Inhalt von Programmierkursen angepasst werden sollte, um mehr Mädchen anzusprechen. Der Großteil der Inhalte von Tekkie Uni ist bewusst geschlechterneutral und richtet sich an alle Kinder, egal, wo sie sie im Geschlechterspektrum verortet sind.

 „Wir müssen nichts Besonders für sie tun”, sagt er. „Ich muss keine geschlechtsspezifischen Inhalte erstellen, um Mädchen dazu zu bringen, sich anzumelden.“

Die Mädchen, die sich in den Kursen von Tekkie Uni anmelden, tun dies aus allen möglichen Gründen. Manche von ihnen mögen Technik, manche gestalten gerne, manche sind einfach nur neugierig, wie Apps entwickelt werden. An den YouTube-Creator-Kursen nehmen mehr Mädchen teil; 33 Prozent der angemeldeten  TeilnehmerInnen sind Mädchen, was Ivgi auf gesellschaftliche Trends zurückführt.

Andere fühlen sich wohler, an einem Online-Kurs teilzunehmen, anstatt sich in einen physischen Raum mit vielen Jungen zu begeben. Diese Mädchen bleiben tendenziell wegen der angenehmen Atmosphäre in den Tekkie-Uni-Kursen; die Kinder lassen die Webcam ausgeschaltet, tauschen sich per Sprachkommunikation und Chat aus und werden angeregt, sich gegenseitig zu unterstützen.

Ivgi glaubt, dass Mädchen zur Teilnahme an Kursen ermutigt werden könnten, wenn eben diese kooperative Atmosphäre hervorgehoben wird. Er denkt, dass der gleiche Inhalt in anderem sozialen Gewand, etwa reine Mädchenkurse oder Mutter-Tochter-Programmierkurse, auf Mädchen attraktiver wirken könnte.

Auch die Art, wie Kurse vermarktet werden, könnte hilfreich sein; Shauli Twito und Naomi Ben-David von Tekkie Unis Marketing-Abteilung versuchen regelmäßig, Bilder von Mädchen in Facebook-Anzeigen und Marketingkampagnen zu verwenden, damit Mädchen sich bildlich vorstellen können, selbst an einem Programmierkurs teilzunehmen. Manche Kampagnen richten sich zwar an Mädchen und zeigen anhand von Fakten die Bedeutung von Frauen und Mädchen im Tech-Bereich auf, aber viele richten sich an Kinder im Allgemeinen, sagt Twito.

„Wir versuchen, nicht speziell über Jungen oder speziell über Mädchen zu berichten, sondern über Kinder im Allgemeinen”, so Twito. „Die meisten unserer Kampagnen sind für Jungen und Mädchen gleichermaßen gemacht, aber was die Bilder angeht, entscheiden wir uns manchmal für Mädchen anstatt Jungen.“

Als Tekkie Uni mit dem Marketing startete, wurden bei vielen Kampagnen tatsächlich Bilder von Jungen verwendet, weil sich eher Jungen in den Kursen anmeldeten. Die Verwendung von Bildern, die Mädchen zeigen, war eine bewusste Entscheidung mit dem Ziel, die Gender-Gap im MINT-Bereich zu verringern.

„Es ist ein Konzept, das wir versuchen, voranzubringen. Wenn nicht schon mit den tatsächlichen Worten unserer Inhalte –nicht jede Kampagne dreht sich wortwörtlich um Mädchen im Bereich Programmieren – dann mit den Bildern, die wir zeigen, und mit der Tatsache, dass wir im Englischen versuchen, ‚Kinder‘ zu sagen und so geschlechtsneutral wie möglich zu sein“, sagt Ben-David.

Für ein globales Unternehmen wie Tekkie Uni, das mehrsprachig ausgerichtet ist, stellt eine genderneutrale Sprache manchmal eine Herausforderung dar, da manche Sprachen geschlechtsspezifische Substantive verwenden. Twito und Ben-David umgehen dies durch die Verwendung von Pluralformen, wann immer es möglich ist.

Für Twito und Ben-David ist diese geschlechtsneutrale Sprache ein Weg, um das Bewusstsein für und die Sichtbarkeit von Mädchen im MINT-Bereich zu erhöhen.

 „Wir denken langfristig. Ich glaube nicht, dass wir große Ergebnisse oder einen hohen Zustrom von Mädchen erleben werden“, so Ben-David. „Es sind die subtilen und kleinen Botschaften, die wir immer und immer wieder ausstrahlen, um in den Köpfen der Menschen ein anderes Bild zu erzeugen.“

Mädchen programmieren tatsächlich gerne

Die Wahrheit ist, dass Programmieren kein Geschlecht kennt. Kinder aus dem gesamten Geschlechterspektrum sind von Informatik begeistert. Das belegt auch die Forschung: Studien haben gezeigt, dass die jüngsten Mädchen tendenziell das größte Interesse an Informatik haben.

Laut  TechCrunch zeigen 74 Prozent junger Mädchen Interesse an den MINT-Fächern und Informatik. Doch bis zum Studentenalter lässt dieses Interesse nach; nur 18 Prozent der Hochschulabschlüsse in Informatik werden von Frauen erzielt. Laut der amerikanischen Bildungs-NGO Girls Who Code, sind Mädchen in jungen Jahren an Programmieren und Informatik interessiert, doch im Alter zwischen 13 und 17 geht dieses Interesse stark zurück.

Die Herausforderung besteht darin, diese Mädchen abzuholen und sie zu einem Zeitpunkt an das Programmieren heranzuführen, wenn sie am meisten Interesse für Technologie zeigen, und sie im Teenager-Alter bei der Stange zu halten. Dann besteht die Chance, die Technologie-Gender-Gap früher abzubauen.

Für Ivgi ist Programmieren eine Form der Kreativität, die am besten alle Kinder einmal ausprobieren sollten, unabhängig vom Geschlecht.

 „Ich sehe Programmieren als das Nebenprodukt unseres Tuns“, sagt Ivgi. „Es hat den eigentlichen Zweck, Kinder dabei zu unterstützen, Merkmale von Technologie-Führungspersönlichkeiten auszubilden: die Fähigkeit, zu erfinden, und die Fähigkeit, etwas Neues zu erschaffen.“

Er liebt es, zu sehen, wie stolz SchülerInnen auf ihre Werke sind, und welche Kraft sie entfalten, wenn sie ihren Freunden und Familien eine App zeigen können, die sie entwickelt und auf ihrem Smartphone installiert haben. Mädchen und Jungen zeigen die gleiche Kreativität und die gleiche Begeisterung, wenn sie ihre Werke präsentieren können.

„Ich sehe in den Ergebnissen keine wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede“, sagt er.

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